Noch vor fünf Jahren konnten sicherlich die wenigsten etwas mit dem Begriff „Parkour“ anfangen. Seitdem hat die Trendsportart immer mehr an Popularität gewonnen. „Entstanden ist Parkour aus der sogenannten Méthode Naturelle, die einst für das französische Militär entwickelt wurde“, erklärt Cei Weyrich, der montags gemeinsam mit seiner Trainerkollegin Julia die Parkour-Kurse in der Mülheimer Ferdinandstraße leitet. „Das heißt so viel wie: ‚Training in der natürlichen Umgebung.‘ Damals wurde zum Beispiel viel im Wald trainiert.“ Später wurde die Méthode Naturelle auf den urbanen Raum übertragen. „Bewegung in der natürlichen Umgebung einer Stadt bedeutet, Mauern, Zäune und Geländer zu nutzen. Alles, was es so gibt.“ Für Vertreter klassischer Sportarten zunächst schwierig zu begreifen: im Parkour steht die Bewegung selbst im Mittelpunkt. „Ziel ist es, sich in einer bestimmten Umgebung kreativ und möglichst fließend zu bewegen“, so der 34-Jährige.
Obwohl Parkour eigentlich ein Draußensport ist, finden die Kurse beim MTV normalerweise in der Halle statt. Für das Trainerteam steht die Sicherheit der Teilnehmenden im Vordergrund: „Im Grunde machen wir in der
Halle das gleiche wie draußen, nur unter etwas sichereren Bedingungen simuliert. Wenn du in der Stadt trainierst, dann gehst du an irgendeinen Spot. Vielleicht weil du eine Vorstellung hast, dass da eine Mauer ist und ein Geländer, an dem du bestimmte Sachen machen könntest. Oder weil du einfach den Ort nett findest. Und dann guckst du was geschieht. Im Grunde machen wir das hier auch jede Woche wieder aufs Neue, nur eben mit Hallengeräten“.
Die Kinder und Jugendlichen werden körperlich und technisch langsam an den Sport herangeführt. So auch die elfjährige Hajar, die sich topmotiviert zeigt: „Ich mache das alles, damit ich es auf der Straße irgendwann mal anwenden kann, wenn ich soweit bin.“ Im Sommer geht es schon ab und zu nach draußen. Das ist dann etwas ganz Besonderes für die Teilnehmenden. Hajar berichtet begeistert: „Wir machen ab und zu eine kleine Tour hier auf dem Schulhof. Da steht zum Beispiel ein Container. Den klettern wir dann hoch und versuchen runterzuspringen. Oder wir arbeiten an Präzis – das sind Präzisionssprünge.“ Gemeinsam mit ihrer Freundin Carla ist sie bereits seit einem knappen Jahr dabei und hat in dieser Zeit schon extrem viel gelernt. Der Fortschritt zeigt sich dabei nicht im Wettkampf gegen andere, sondern im individuellen Entwicklungsprozess.
Cei bekräftigt: „Von der ursprünglichen Idee her ist Parkour eigentlich ein komplett wettkampffreier Sport – der Wettkampf oder die Challenge, die du hast, ist immer gegen dich selbst. Das kann bedeuten, dass du versuchst, einen Sprung präziser zu machen oder weiter zu springen – was auch immer gerade dein individuelles Lernziel ist. Dadurch, dass es alles nicht so starr, indoktriniert und reglementiert ist, ist man relativ frei, das zu machen, auf das man gerade Lust hat.“
Obwohl Parkour also ein Individualsport ist, wird eigentlich immer zusammen trainiert. „Die Teilnehmer hier sind alle cool und unterstützen sich gegenseitig“, freut sich Cei. Das bestätigt auch die 13-jährige Celia: „Ich mache Parkour, weil ich hier nette Leute treffen kann. Das find ich besonders schön daran.“
Das Gemeinschaftsgefühl ist somit nicht nur im Teamsport, sondern auch in Individualsportarten wie Parkour ein wichtiger Motivationsfaktor. Es sorgt dafür, dass Hajar, Carla und Celia jeden Montag begeistert in die Halle zurückkehren. Dort überwinden sie Kästen, Stufenbarren und andere Hindernisse, vor allem aber auch immer wieder sich selbst. #
Lena Glück