Die Bundesrepublik Deutschland schloss besonders in den 70er Jahren zahlreiche Verträge mit anderen Staaten ab und wurde 1973 gleichzeitig mit der DDR in die UN, die Weltstaatengemeinschaft, aufgenommen. Die allgemeine Öffnung nach außen ließ sich auch im kleinen Maßstab beobachten. So reisten die MTV-Mitglieder verstärkt ins Ausland und immer häufiger wurden ausländische Trainer nach Mülheim geholt.
Durch die ständig steigenden Mitgliederzahlen und damit des verfügbaren Budgets konnte der Mülheimer Turnverein für einzelne Abteilungen hochkarätige ausländische Trainer verpflichten. So gehörte die Damen-Volleyballmannschaft unter der Leitung des tschechoslowakischen Trainers Walter Krasovic auf Anhieb zu den sechs besten Mannschaften,
die der 1971 neu eingerichteten und der Bundes-Liga übergeordneten Olympia-Liga angehörten. Der Liga war zwar eine kurze Existenz vergönnt, in dieser Zeit reisten die Volleyballerinnen aber viel in der „Weltgeschichte“ herum. Der Lohn dafür war im September 1971 der Sieg bei den Deutschen Meisterschaften in Schweinfurt und 1976 ein weiterer Deutscher Meistertitel für die weibliche A-Jugend.
Den Anschluss an die Spitze im Kunstturnen fanden die Mülheimer Sportlerinnen, seit dem im Januar 1972 Esbella Imamura, die mehrfache portugiesische Meisterin, und Satoaki Myake, Meisterturner und Olympiasieger aus Japan, das Training der Kunstturn-Abteilung übernahmen. So erreichte Ute Weiler 1973 den Titel als Rheinische Jugend- und Deutsche Vizemeisterin im Kunstturnen. 1974 organisierten die Trainer eine dreiwöchige Japan-Reise für die Kunstturnerinnen. Neben Land und Leuten zeigten die Turnerinnen ihr Können bei Schauturnen. Dazu eine Teilnehmerin: „Die japanischen Turnerinnen waren uns zwar überlegen, aber die Zuschauer erfreuten sich sehr an den Handküsschen, die Ute Schmitz als Funkemariechen zu vergeben hatte.“ Eines der erfolgreichsten Jahre für die Kunstturnerinnen war 1977 als sie insgesamt 6 Rheinische Meistertitel nach Mülheim holten. Im Dezember 1977 kündigte sich das Ende der erfolgreichen Kunstturn-Ära an. Denn der Trainer Satoaki Miyake verließ den Verein, um in Portugal technischer Direktor zu werden. Einen Monat später folgte ihm Esbella Imamura und trat das Amt der Staatstrainerin in Portugal an. Trotzdem wurden die Kunstturnerinnen im November 1978 noch einmal Rheinische Meister.
Andere MTV-Abteilungen erhielten in den 70er Jahre Zuwächse, weil ganze Vereine geschlossen zu ihnen übertraten, oder weil sie verstärkt Zusammenschlüsse in Startgemeinschaften betrieben. So gründeten 1970 die MTV-Leichtathleten eine Startgemeinschaft mit dem TV Dellbrück, da die Konkurrenz des TuS rrh., ASV Köln und Leverkusen zu stark war. Mehr Trainingsmöglichkeiten, reduzierte Personalkosten und ein erweitertes Einzugsgebiet bei der Talentsuche waren nur einige Vorteile des Zusammenschlusses. Dies stärkte die Basis der Abteilung derart, dass sie in der Lage war, den Mülheimer Volks- und Schulgeländelauf mit über 600 Teilnehmern ins Leben zu rufen. Der TV Vingst 1962 schloss sich im Dezember 1973 ebenso komplett dem MTV an wie am 28.März 1974 die Handballabteilung des SC Victoria Köln.
Wie schon in den 60er Jahren, setzte sich auch in diesem Jahrzehnt die Tendenz fort, neue Abteilungen für immer speziellere Zielgruppen zu gründen. Neben Ehepaarturnen, Mutter und Kind, Ballett und Schwangerschaftsgymnastik im Jahr 1970 wurden 1975 die Badminton- und die Behindertensportabteilung aus der Taufe gehoben.
Nach dem der erste Geschäftsführer den Verein 1969 verlassen hatte, wuchs die Arbeitsbelastung des Turnrates derart, dass bei einer Sitzung am 15. Oktober 1970 „Ts Dortschy meint, daß es notwendig sei, sich nach einem Mann umzusehen, der wenigstens Halbtags den Posten des Geschäftsführers übernimmt.“ Diesen fand der Verein allerdings erst am 1. Juli 1973 in Herbert Bohlscheid, der bis 1977 sowohl das Amt des hauptamtlichen Sportwarts als auch das des Geschäftsführers übernahm.
Aber noch weitere Änderungen waren nötig, um den Verein dem Wandel der Zeit anzupassen. Schon 1969 hatte ein eigens gegründeter Ausschuss die Modernisierung der Vereinssatzung gefordert. Nach langen Beratungen wurde sie auf der Jahreshauptversammlung am 14. März 1970 verabschiedet. Eine der zahlreichen Neuerungen war die Schreibweise des Vereinsnamens. Denn im Sprachgebrauch der 70er Jahre wurden immer öfter Abkürzungen für Begriffe und Namen verwandt. Daher „verwandelte“ sich der Mülheimer Turnverein in den MTV Köln.
Gleichberechtigung, Demokratie und Mitbestimmung waren die hohen Werte, die besonders in den 70ern in allen Lebenslagen eingefordert wurden. So gestand der MTV seiner Vereinsjugend auch erstmals das Recht zu, am 19.März 1971 die erste Jugend-Vollversammlung im Jugendheim abzuhalten. Dabei wurde ein Jugendausschuss, „bestehend aus fünf gleichberechtigten Mitgliedern“ gewählt, aus dessen Mitte der Jugendwart als „primus inter pares“ hervorging.
Mitte des Jahrzehnts übersprang die Zahl der MTV-Mitglieder die magische Marke von 3.000 und das Jahresbudget für 1975 lag bei 324.576,23 Mark. Trotzdem nicht genug, denn um die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen, rief der Pressewart Dr. Rolf Iffland am 10. Juli 1976 das 1. Schulsportfest des MTV ins Leben. Damit wurde auch gleichzeitig das Verhältnis zu den Grundschulen des Stadtteils intensiviert und wahrscheinlich auch einige neue Mitglieder gewonnen. Im selben Jahr verlängerte die Stadt Köln den Mietvertrag bis zum 31. Dezember 1999 für das Turnerheim und die dazugehörenden Sportanlagen, die im Oktober 1977 um einen vierten Tennisplatz erweitert wurden. Damit war auch die formale Grundlage für den Verein geschaffen, weiter zu expandieren.
Das geschah sonst noch in Köln
1970 Erster Weihnachtsmarkt seit 20 Jahren auf dem Neumarkt
1971 Bundespräsident Gustav Heinemann eröffnet Bundesgartenschau im Rheinpark
1972 Der Kölner Eishockey Club (KEC) wird gegründet
1974 „De Bläck Fööss“ veröffentlichen erste Langspielplatte
1975 Neues Stadion in Müngersdorf eröffnet mit großem Volksfest
1977 Frauenzeitschrift „Emma“ von Alice Schwarzer erscheint zum ersten Mal
1978 Die Gruppe „De Höhner“ formieren sich
Quelle: Jubiläumsmagazin des MTV Spiegels, "150 Jahre MTV Köln 1850", Juni 2000
Text: Claudia Schrader-Wingens
Bilder: MTV Archiv